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Faszination Auto: ADAC hat mehr Mitglieder als die katholische Kirche

Verkehr

Der ADAC ist Deutschlands größter Verein – aber schwindet die Begeisterung fürs Auto?

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    Die gelben ADAC-Autos kennt jeder. Kaum verwunderlich, schließlich hat der Club mehr als 22 Millionen Mitglieder.
    Die gelben ADAC-Autos kennt jeder. Kaum verwunderlich, schließlich hat der Club mehr als 22 Millionen Mitglieder. Foto: Hauke-Christian Dittrich, dpa

    „Panta rhei“, der Spruch, den man frei auch mit „Alles bewegt sich“ übersetzen kann, ist ein bewährtes Konzept in der griechischen Philosophie. Bekannt wurde die Idee im sechsten Jahrhundert vor Christus durch Heraklit aus Ephesus. Aus der Antike für sich adaptiert hat es dann niemand besser als Deutschlands größter Verein, der Allgemeine Deutsche Automobilclub, allen bekannt unter dem Kürzel ADAC.

    Welche Strahlkraft das Thema „Bewegung“ noch immer hat, spiegelt das Interesse der Menschen in der Republik wider. Der ADAC hat mit 22,4 Millionen inzwischen mehr Mitglieder als die katholische Kirche in Deutschland (knapp 20 Millionen). Und beim ADAC ist die Tendenz steigend. Die motorisierte Bewegung wurde zu einer Art Religion der Moderne. Auch ein Skandal um den Verein im vergangenen Jahrzehnt hat diese Entwicklung nicht gebremst.

    ADAC-Motorwelt ist die größte Zeitschrift Europas

    Die ADAC-Motorwelt, das Zentralorgan des Vereins, ist mit einer Reichweite von fast sechs Millionen Leserinnen und Lesern nach wie vor die größte Zeitschrift in Europa. Die Motorwelt feiert in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag, und Chefredakteur Martin Kunz hat zusammen mit den Kollegen Roman Breindl und Eike Schrimm eine Ausstellung mit dem programmatischen Titel „Bewegte Zeiten“ zusammengestellt.

    Auf mehreren Litfaßsäulen wird anschaulich über die Geschichte der Vereinszeitschrift berichtet, die erstmals 1925 als „illustrierte Monatszeitung“ erschien. Schon in der Anfangsausgabe findet sich ein breites Spektrum an Inhalten - von nützlicher Hilfe beim Auto über Einblicke ins motorsportliche Clubleben bis hin zu Mode und Unterhaltung. Aber es gab auch Kritisches: Weil sich Autos, Motorräder und Flugzeuge immer schneller bewegten, wird auch eine Geschichte über „Besorgnisse über die Wirkung von Geschwindigkeit auf die Nerven“ abgedruckt.

    Die Nazis machten sich das Thema Verkehr zunutze

    Ein knappes Jahrzehnt später nutzten die Nazis das populäre Thema Motor und Verkehr und kaperten Vereine wie den ADAC, die sich wiederum selbst Vorteile von den neuen, technikaffinen Machthabern erhofften und sich freiwillig als Partner anboten. Am Ende war die Motorwelt pures Propagandaorgan. Auch darüber berichtet die Schau kritisch.

    Die Themen in der Motorwelt spiegelten seit jeher auch immer den Zeitgeist wider. Als das Auto nach dem Krieg zum Massenfortbewegungsmittel wurde, explodierten die Mitgliederzahlen des ADAC, der mit seinem zuverlässigen Straßenhilfsdienst, aus dem dann die heutigen „Gelben Engel“ wurden, schnell das Vertrauen der Automobilisten gewann.

    Skandal um den Autopreis „Gelber Engel“

    Vor zehn Jahren kam es dann zum Bruch in der kontinuierlichen Entwicklung des ADAC: Aufgrund des Skandals um den Autopreis „Gelber Engel“ wurde vieles auf den Prüfstand gestellt und neu geordnet, auch personell hat sich der Club zumindest an der Spitze neu aufgestellt.

    Auch die Motorwelt, die Mitgliederkommunikation und die Öffentlichkeitsarbeit des ADAC haben sich verändert. Sie wurden spürbar digitaler. Weil allein die Versandkosten bei einer Auflage von damals 13,8 Millionen Exemplaren 55 Millionen Euro betrugen, dachte man sich ein neues, deutlich günstigeres Vertriebsmodellmodell über Supermärkte aus. „Das war ein großes Abenteuer, denn wir wussten nicht, ob die Mitglieder das Magazin aktiv abholen wollen. Heute wissen wir, dass es richtig war“, resümiert Kunz.

    Verliert die Faszination Auto an Bedeutung?

    Die Auflage des inzwischen nur mehr vierteljährlich erscheinenden Blattes liegt heute zwischen 2,5 und 2,6 Millionen. Kunz zufolge sei das Heft dadurch keine „Zwangsbeglückung“ mehr, sondern werde von denen abgeholt, die wirklich Interesse daran haben. Inhaltlich ist man offen für neue Verkehrskonzepte und nicht mehr so stark auf das Auto fokussiert. Auch Gesundheitsthemen laufen in der Motorwelt gut. Ein neuer Fokus liegt auf dem Thema „Zuhause“.

    Dass die Faszination Auto langfristig an Bedeutung verlieren wird, davon ist beim ADAC heute bisher nicht viel zu spüren. Kunz sieht optimistisch in die Zukunft. Auch wenn sich nach den ersten aussagekräftigen Tests des ADAC herausgestellt hat, dass Elektroautos weniger pannenanfällig als Verbrennerfahrzeuge sind, ist die Nachfrage nach den „Gelben Engeln“ bisher nicht gesunken und das Interesse an den ADAC-Themen nach wie vor groß. Zusätzlich diversifiziert sich der Verein, in dem die Pannenhilfe inzwischen auch für Fahrräder angeboten wird. Neu ist auch der ADAC Schlüsselnotdienst.

    Eine Frage stellt sich aber noch: Wird das autonome Fahren das Statussymbol Auto langfristig entzaubern? Denn schon heute halten viele junge Menschen in Großstädten das Auto nicht mehr für dringend notwendig. Doch Kunz ist nicht bange: „Die Faszination für Mobilität wird bleiben. Sie ist ein Grundbedürfnis von Menschen.“

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    4 Kommentare
    Wolfgang Boeldt

    Es gibt in Deutschland ungefähr 65 000 000 Kfz. Wer einmal ein Problem hatte, weiß den ADAC zu schätzen. Auch ein Tourset ist nicht zu verachten. Und einige weitere Vorteile ... . Die 130€ / Jahr schmerzen mich absolut nicht und sind gut angelegt.

    Martin Dünzl

    ..und noch eine weitere Frage stellt sich: Wann ist der ADAC soweit, sich aktiv für ein generelles Tempolimit auszusprechen angesichts einer Mehrheit von Befürwortern in Deutschland (und unter den ADAC-Mitgliedern) ? Seine Gegnerschaft haben sie inzwischen ja schon aufgegeben...sich bei dieser Frage als Automobilclub nicht zu positionieren, zeugt nicht von Haltung, sondern Hasenfüßigkeit!

    Renate Frey

    Bei dem Skandal um, ich glaube, "Wahl der Autos des Jahres" bin ich ausgetreten. Solche Lug- u. Trugmachenschaften unterstütze ich nicht. Und für die paar Kilometer, die ich im Jahr mit dem Auto fahre brauche ich keinen solchen Verein.

    Maja Steiner

    Ja, in Großstädten mit tollem öffentlichen Nahverkehr, mit U-Bahnen und in kurzen Abständen fahrenden Bus- und Tramlinien, dafür wenig Park- und Abstellmöglichkeiten, da mag das Auto überflüssig erscheinen und werden. Das dürfte aber nicht überall gelten und warum autonomes Fahren das Statussymbol Auto entzaubern sollte, erschließt sich mir nun auch nicht ohne Begründung. Fährt einen halt der Nobelschlitten selbsttätig durch die Gegend. Muss man sich auch leisten können - ergo eher doppelter Status. Die Faszination am Auto ist vor allem die Freiheit und die Bequemlichkeit. Wer die aufgeben mag - bitte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwann auch nur mal die Mehrheit sein wird. Und zum ADAC: Immer ein verlässlicher Partner gewesen. Man wäre froh, wenn Service wie Dienstleistung überall so angeboten würden.

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