Immer mehr Eltern trauen die Ausbildung ihrer Kinder nicht mehr dem Staat zu: Die Zahl der Privatschulen ist in den vergangenen zehn Jahren um acht Prozent gestiegen. Doch können Privatschulen leisten, was an staatlichen Schulen nicht geboten ist? Darüber lässt sich streiten.
Pro: Privatschulen sind wichtig – für Freiheit, Vielfalt und Innovation in der Bildung
Ob Montessorischule, Waldorfschule, oder christliche Konfessionsschule: Privatschulen machen in Sachen Unterricht, Stundenplan und Klassenzimmergestaltung vieles anders – und das ist auch gut so. Mit ihrer jeweils ganz eigenen Ausrichtung sind sie Alternativen zu öffentlichen Schulen und damit eine wichtige Bereicherung für unser Bildungssystem. Nur Privatschulen bieten Familien die Freiheit, aus einer Vielfalt an pädagogischen Konzepten jenes zu wählen, das am besten zu ihnen, ihren Kindern und ihrer Weltanschauung passt.
Dabei haben Lehrkräfte an Privatschulen mehr Freiraum, ihr pädagogisches Konzept im Alltag umzusetzen. Allein schon deshalb, weil sie in freier Trägerschaft strukturell weniger Zwängen unterliegen. Aber auch, weil Privatschulen anhand eigener Kriterien selbst bestimmen, wer in die Einrichtung aufgenommen wird und wer nicht. Mit einer homogenen Schülerschaft und engagierten Eltern wird es tendenziell einfacher, aufwändige Projekte wie den Gemüsegarten, die Schulbibliothek oder die Buchdruckerei in den Schulalltag zu integrieren. Wer nicht erst Sprachbarrieren aus dem Weg räumen und alle Kinder auf ein grundlegend ähnliches Wissensniveau bringen muss, hat auch mehr Ressourcen für altersübergreifendes und nachhaltiges Lernen über einen festen Lehrplan hinaus.
Dabei ist es keineswegs so, dass Schulen freier Träger völlig losgelöst von allen gesellschaftlichen Realitäten ihren Unterricht gestalten. Regelmäßig werden sie von staatlichen Aufsichtsbehörden geprüft. Und in vielen Fällen erheben sie von ihren Schülern Leistungsnachweise auf einem vergleichbaren Niveau wie öffentliche Schulen. Privatschulen agieren immer im Rahmen staatlicher Kontrolle und nicht nur das: Manche Konzepte, die einst revolutionär und nur an freien Schulen verbreitet waren, haben sich mittlerweile an öffentlichen Schulen etabliert. Kleingruppenarbeit, selbstständiges Erarbeiten von Lerninhalten oder zweite Lehrkräfte, die in separaten Intensivstunden Nachzügler voranbringen: Diese Innovationen haben Privatschulen hervorgebracht. (Anika Zidar)

Contra: Der Staat muss Schulen besser ausstatten – und Privatschulen wären überflüssig
Das Grundgesetz will, dass wenigstens am Anfang alle Kinder zusammen lernen und die Vielfalt der Gesellschaft mit all ihren Herausforderungen sehen – und alle Menschen mit allem, was sie ausmacht. Eigentlich eine große Chance. Gerade private Grundschulen weichen das aber auf. Dabei haben dort die Kinder oft ohnehin die besseren Startvoraussetzungen. Die allermeisten Eltern wollen den besten Bildungsweg für ihr Kind – haben aber nicht die Ressourcen, um das zu erreichen. Weil ihnen die Zeit oder die Sprachkenntnis fehlt, weil sie arbeiten und pflegen oder weil sie krank sind. Es gibt gute Gründe, warum Eltern das Beste für ihre Kinder wollen, es aber nicht erreichen können. In einer Gesellschaft, in der es auf engagierte Eltern ankommt, landen am Ende so immer die gleichen Kinder an Privatschulen.
Vom reinen Statussymbol sind die weit entfernt. Viele engagierte Schülerinnen und Schüler füllen den Geist der Schule mit Leben oder reiben sich gehörig daran. Viele Lehrkräfte leisten an vielen privaten Schulen nachhaltig gute Bildungsarbeit. Und viele Privatschulen bemühen sich zumindest um Chancengleichheit. Sie behaupten: Wer zum Geist der Schule passt, ist willkommen. Doch dazu braucht es Transparenz bei den Kosten und im Aufnahmeverfahren. Und ein aktives Werben auch um geeignete Kinder, deren Familien nicht schon per Gehaltsnachweis klar die richtigen fürs pädagogische Konzept sind.
Am Ende ist die Frage: Gibt es wirklich etwas, was öffentliche Schulen nicht leisten könnten? Wenn all die, die sich aus dem öffentlichen Schulsystem herausziehen, stattdessen Zeit, Geld und Mühe hineinstecken würden, würden alle Kinder davon profitieren – nicht nur die eigenen.
Klar ist auch: Eltern alleine können das nicht richten. Dass sie in einem mangelhaften System ihren eigenen Kindern die besten Chancen ermöglichen wollen, ist nachvollziehbar. Deshalb muss der Freistaat seine Schulen deutlich besser ausstatten. Und öffentliche Schulen müssen aktiver zeigen, dass auch hier die individuelle Entwicklung der Kinder im Fokus steht. Warum sollen nicht auch sie stärker individuelle Profile haben? Dafür muss der Staat Sorge tragen – statt sich darauf auszuruhen, dass er Geld in die privaten Schulen steckt und die sich schon kümmern werden. (Maria-Mercedes Hering)



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