Es sind ausnahmslos stolze Gesichter, in die die stellvertretende Landrätin Rita Schmidt (CSU) blickt, als sie an das Pult im großen Sitzungssaal des Landratsamtes tritt und zu ihrer Rede ansetzt. „Sprache ist der Schlüssel zur Teilhabe, und Sie, liebe Laiendolmetscherinnen und -dolmetscher, halten diesen Schlüssel in der Hand“, sagt sie feierlich, bevor die 16 Ehrenamtlichen von den Integrationslotsinnen des Landkreises Carina Andraschko und Katja Schmidt ihre Urkunde in die Hand gedrückt bekommen.
Laiendolmetscher unterstützen Geflüchtete bei der Integration – nicht nur als Übersetzer
Die Qualifizierung als Laiendolmetscher hat das Evangelische Beratungszentrum München unter der Verantwortung von Markus Bernhard konzipiert, der die Lehrgänge auch durchführt. Die Integrationslotsinnen des Landratsamtes übernehmen die Organisation und die spätere Betreuung der Ehrenamtlichen. Drei Themenblöcke stehen auf dem Stundenplan, der drei Wochenenden und zwei zusätzliche Tage in Anspruch nimmt. Rund 48 Stunden absolvieren Teilnehmerinnen und Teilnehmer so, dazu gibt es Hausaufgaben, wie Fallbeispiele, die sie in Arbeitsgruppen durcharbeiten.
Im ersten Block dreht sich alles um die Reflexion, die zukünftigen Laiendolmetscher sprechen über ihre eigenen Migrationsgeschichten und setzen diese in den Kontext ihrer Arbeit. Der zweite Block vermittelt die sogenannte Trialog-Technik, die in der Gesprächsführung genutzt wird. Dabei wird darauf geachtet, dass der Dolmetscher oder die Dolmetscherin als Medium, also eine Art Sprachrohr, agiert und nicht etwa als Vertreter oder Partner des Klienten. Das hilft bei der Rollenverteilung, schützt die Dolmetscher zumindest teilweise vor überzogenen Erwartungen und kann dabei helfen, Konflikten vorzubeugen. Im finalen Block sprechen Bernhard und die Ehrenamtlichen über Sprache und Kultur in den verschiedenen Kontexten und vertiefen die psychologischen Aspekte der Arbeit, etwa den Umgang mit den oft tragischen und von Gewalt geprägten Fluchtgeschichten. „Dieser Aspekt ist für viele Teilnehmer eine große emotionale Belastung“, erzählt Katja Schmidt.
Das Konzept des Beratungszentrums kommt bei den Teilnehmenden gut an, erzählt Nicole Dorogin. „Der Kurs war spannend gestaltet, es war viel Psychologie dabei, viel Praxis, so wurde es nie langweilig“, so die 18-jährige Auszubildende. Dorogin entstammt einer russischen Familie, ist aber in Deutschland aufgewachsen und hat dementsprechend andere Erfahrungen gemacht als ihre zukünftigen Klienten. „Motiviert hat mich, dass man dabei helfen kann, diese Barriere von Kultur und Sprache unsichtbar zu machen oder so gut wie möglich zu retuschieren“, sagt sie.
Viele Laiendolmetscher möchten der Gesellschaft etwas zurückgeben
Sediqa Merzaee kann hingegen genau nachvollziehen, vor welchen Problemen die Neuankömmlinge stehen. Vor neun Jahren kam sie aus Afghanistan nach Deutschland, damals sei es für ihre Familie äußerst schwierig gewesen, Dolmetscher zu finden. „Ich habe diese Zeit selbst erlebt, ich weiß, wie es für sie ist“, sagt die 25-Jährige, die in Ingolstadt eine Ausbildung zur Optikerin macht. Zwar habe sie bereits im privaten Umfeld geholfen, wo es nur ging, trotzdem sei sie gespannt, was nun auf sie zukommt.
Unter den Zuhörerinnen und Zuhörern im Sitzungssaal finden sich auch einige, die das bereits wissen. Waheedullah Noori, Rania Jarbo und Jana Augstein eint, dass sie nach Deutschland kamen, als es noch keine Infrastruktur gab, die Migranten bei der Integration unterstützt. Daraus ziehen sie ihre Motivation, aber auch eine gewisse Strenge ihren Klienten gegenüber, wenn es darum geht, sich anzupassen. „Wir erwarten schon, dass sich die Leute bemühen, so wie wir es damals machen mussten“, sagt Jarbo, die vor 30 Jahren aus Palästina nach Deutschland kam, unter dem zustimmenden Nicken der anderen. „Darum sagen wir ihnen auch, dass wir das hier freiwillig machen und es nicht unser Job ist“, meint Noori aus Afghanistan, der als Altenpfleger arbeitet.
Grenzen zu ziehen helfe dabei, Konflikte zu vermeiden, sei aber auch Teil der kulturellen Übersetzung, sagt der 29-Jährige. In Deutschland laufe nun einmal alles strukturiert und nach einem Plan, ob beim Arzt oder in der Behörde, und das müssen die Menschen verstehen. „Selbst bei den Ukrainern, die ja aus dem gleichen Kulturkreis kommen, ist das nötig, beispielsweise bei der Mülltrennung“, sagt Augstein über ihre Landsleute. Bisweilen gebe es natürlich Konflikte, auch Streitereien, das halte sich jedoch im Rahmen, berichten sie. In der Regel erfahren sich jedoch vor allem große Dankbarkeit für ihre Hilfe.
Mittlerweile arbeiten 49 Laiendolmetscher ehrenamtlich für das Landratsamt ND-SOB
Insgesamt 49 Laiendolmetscherinnen und Laiendolmetscher stehen dem Landkreis mittlerweile zur Verfügung und jeder und jede einzelne von ihnen wird auch gebraucht. „Der Bedarf an Dolmetschern und auch an neuen Sprachen ist über die Jahre immer größer geworden“, sagt Katja Schmid. Umso glücklicher sind Schmidt und Andraschko, dass es an Bewerberinnen und Bewerbern nicht mangelt. Für den aktuellen Jahrgang bemühten sich 50 Menschen um einen der 16 Plätze im Kurs. „Wir haben verschiedene Ehrenamtsprojekte, aber weil die Laiendolmetscher auch ihre eigene Geschichte mitbringen, spürt man, dass sie mit voller Leidenschaft und Engagement dabei sind“, sagt Carina Andraschko. Und die beiden Integrationslotsinnen freuen sich immer über Zuwachs, nicht nur bei den Dolmetschern. Wer Interesse an einer ehrenamtlichen Mitarbeit in diesem Bereich hat, kann sich unter [email protected] melden.
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