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Dirndl-Designer Emanuel Burger sagt im Interview: „Billigdirndl sind eine Abwertung dieses Kulturguts“

Interview

„Das Dirndl passt sich jeder Figur an“

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    In der Silhouette verändert und doch als Dirndl zu erkennen: drei Kreationen des österreichischen Designers Emanuel Burger, die derzeit im Textilmuseum ausgestellt sind.
    In der Silhouette verändert und doch als Dirndl zu erkennen: drei Kreationen des österreichischen Designers Emanuel Burger, die derzeit im Textilmuseum ausgestellt sind. Foto: Bernhard Rampf, tim

    Herr Burger, ursprünglich waren Sie Modedesigner mit eigenem Studio in Linz und haben sich dann für die Firma Gössl auf das Dirndl-Design verlegt. Welche persönliche Verbindung haben Sie mit dem Dirndl?
    EMANUEL BURGER: Es ist ein Stück Heimat, das mich begleitet, nicht so sehr ein Kleidungsstück für Volksfeste, sondern ein Kulturgut, das tatsächlich auch auf dem Land noch präsent ist im alltäglichen Leben, etwa beim Kirchgang. Ich habe sogar den Eindruck, dass es wieder auf dem Vormarsch ist, weil es zu jedem Anlass passt und man damit immer gut gekleidet ist. Es ist ein wahnsinnig unkompliziertes und universell einsetzbares Kleidungsstück. Kein Kleid dieser Welt kann ohne großen Aufwand so verändert werden wie das Dirndl, etwa wenn man eine andere Schürze oder eine neue Bluse dazu trägt. Und, was für mich besonders reizvoll ist, man kann es unglaublich frei neu interpretieren. Als ich begonnen habe, Couture-Dirndl zu entwerfen, habe ich überlegt, ob das nicht auch eine Gelegenheit ist, ein Stück unserer Kultur in die Ferne hinauszutragen, denn das Dirndl hat das Potenzial, die Menschen auch in New York, Rom oder Paris zu begeistern.

    Mittlerweile arbeiten Sie ja nicht mehr für die Firma Gössl, sondern entwerfen Mode aus Holzfasern. Dirndl ziehen sie aber weiterhin in Bann.
    BURGER: Ja, die lassen mich nicht mehr los. Bisher habe ich vier Dirndl aus Spaß an der Freude entworfen, genäht und auch die Stoffe bestickt. Alle vier Dirndl sind in der aktuellen Sonderausstellung des Textilmuseums zu sehen. Für den Stoff des blau-weißen Modells bin ich in den Musterbüchern des Tim fündig geworden, habe aber das Muster nicht bedruckt, sondern gestickt. Die Spitzen sind alte Handarbeiten meiner Großmutter, die sie mir überlassen hat. Jetzt wissen Sie, wie ich meine Abende verbringe.

    Wie lange benötigen Sie denn für so ein Dirndl?
    BURGER: Ungefähr eine Staffel von „The Mentalist“. Im Ernst, meist sehe ich dabei Serien.

    Und wie können sie gleichzeitig schauen und dazu nähen und sticken?
    BURGER: Das ist für mich wie ein Hörbuch. Aber nicht jede Serie eignet sich. Ich bevorzuge die, in denen viel gesprochen wird. Reine Actionserien, in denen sich unglaublich viel im Bild tut, aber niemand spricht, funktionieren nicht.

    Welche Elemente des klassischen Dirndls dürfen denn auch beim neu interpretierten Designer-Dirndl nicht fehlen?
    BURGER: Eine konkrete Liste existiert in meinem Kopf eher im Unterbewusstsein. Ich verändere in meinen Kreationen immer die Silhouette ein bisschen, manchmal auch mehr, wie den an die Reifröcke des Rokoko erinnernden Rock bei dem für Augsburg entworfenen Dirndl. Aber dann muss man andere klassische Elemente erkennen, also z.B. den Ausschnitt mit den markanten Trägern. Es muss immer in der Waage bleiben, sodass man als Betrachter sofort das Dirndl noch erkennen kann, aber doch zweimal hinschauen muss, um die Besonderheit wahrzunehmen.

    Sie haben es vorhin schon gesagt, ein Dirndl passt zu jedem Anlass. Man sagt aber auch: Ein Dirndl steht jeder Frau.
    BURGER: Das ist korrekt.

    Warum ist das so?
    BURGER: Das Dirndl ist nicht von der Figur seiner Trägerin abhängig. Es passt, egal welcher Typ, egal welche Figur. Das liegt an der Grundform des Schnitts, denn das Dirndl hat von sich aus schon eine Taille, die durch die Schürze noch betont wird. Das heißt, es gibt dem Körper eine weibliche Form. Und dann kommt noch hinzu, dass ein Dirndl meist an seine Trägerin angepasst wird, der Rock wird entsprechend gekürzt, auch die Trägerhöhe kann verändert werden, das heißt: Es sitzt. Das gibt es heute kaum noch bei Kleidungsstücken aus dem Handel, beim Dirndl ist das selbstverständlich.

    Kommen wir mal zu den praktischen Fragen: Welche Dirndl-Trends gibt es denn derzeit?
    BURGER: Momentan wird der Bindegürtel in allen Facetten von ganz breit bis schmal sehr gern getragen. Mir gefallen die Leinengürtel besonders gut, die haben meist vorne einen breiteren Teil, der bestickt werden kann oder nicht, und mit zarten Bindebändern zu einer Masche geschlossen werden. Das kann ich jedem empfehlen, weil man einen komplett neuen Look bekommt, der momentan sehr modern ist. Und dann fällt auf, dass gerade bei den jungen Frauen einfache Dirndl sehr beliebt sind. Also keine Blumendrucke oder Rüschen, sondern einfarbige Ton-in-Ton-Modelle in Farben wie schlammbraun, grau oder khaki.

    Und jetzt die Kardinalfrage: Kurz oder lang?
    BURGER: Mittendrin. Ich würde immer ein kniebedecktes Dirndl, also 70er-Länge empfehlen. Für lange Dirndl muss man der Typ sein und der Anlass muss passen – und kurz geht gar nicht.

    Und welche Schuhe. Man sieht heute auch Sneakers, Boots oder Cowboystiefel zum Dirndl?
    BURGER: Da bin ich auch sehr klassisch geprägt. Ich verstehe jede Frau, die einen Sneaker dazu anzieht – aus praktischer Sicht. Rein ästhetisch kann ich es nicht nachvollziehen. Und: Auch ein Schuh mit leichtem Absatz kann bequem sein, es muss ja nicht gerade ein Highheel sein.

    Schmerzt es Sie eigentlich, wenn sie bei Volksfesten vor allem die Massenware sehen?
    BURGER: Das versuche ich einmal diplomatisch zu formulieren: Ich kann verstehen, dass man für den einmaligen Besuch eines Volksfestes nicht so viel Geld ausgeben möchte. Aber in gewissem Maße sind die Billigdirndl eine Abwertung dieses Kulturgutes.

    Der österreichische Designer Emanuel Burger.
    Der österreichische Designer Emanuel Burger. Foto: Wood Fashion

    Emanuel Burger

    Emanuel Burger, geboren 1993, organisierte bereits als 13-Jähriger eine Modenschau. Nach der Fachschule für Schneiderei betrieb er ein eigenes Atelier in Linz. Für die Firma Gössl entwarf er Couture-Dirndl. 2022 übernahm er das Label Wood Fashion, das nachhaltige Mode produziert. Seine Kreationen sind bis 19. Oktober in der Ausstellung „Dirndl - Tradition goes Fashion“ im Textilmuseum Augsburg zu sehen (geöffnet Dienstag bis Sonntag von 9 bis 18 Uhr).

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